Anlässlich der heutigen Sitzung des Berliner Steuerungskreises zur Transformation der Berliner Industrie (SKIP) fordert der DGB Berlin-Brandenburg gemeinsam mit IG Metall und IGBCE entschlossenes politisches Handeln für eine sichere industrielle Zukunft in der Hauptstadtregion. Die wirtschaftliche Lage in Berlin sei aktuell noch stabiler als im Bundesdurchschnitt – jedoch sei dies kein Grund zur Entwarnung.
„Die Industrie in Berlin steht vor immensen Herausforderungen – von der Nachwirkung der Corona-Jahre über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis hin zu steigenden Energiepreisen und neuen handelspolitischen Spannungen durch die USA“, erklärt Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. „Hinzu kommt eine massive Verunsicherung vieler Beschäftigter über ihre finanzielle Zukunft. Das nehmen wir sehr ernst.“
Tarifbindung stärken für gute Löhne und Jobsicherheit
Zwar seien durch den spezifischen Branchenmix Berlins die wirtschaftlichen Auswirkungen bislang teilweise abgefedert worden, dennoch gebe es auch in Berlin erste Betriebsschließungen und kaum Planungssicherheit für die kommenden Jahre. „Gerade jetzt ist klar: Arbeit mit Tarif schafft soziale Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität. Dafür brauchen wir eine stärkere Tarifbindung – gerade auch in Berlin“, so Techen weiter.
Der DGB verweist auf aktuelle Zahlen: Nur 43 Prozent der Beschäftigten in Berlin arbeiten unter dem Schutz eines Tarifvertrags – bundesweit liegt der Schnitt bei 49 Prozent. Zwar gebe es in der Industrie eine überdurchschnittliche Tarifbindung und gute Mitbestimmungsstrukturen, aber das reiche nicht aus. „Hohe Industrieeinkommen sichern die Binnennachfrage – und damit auch viele Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. Das ist ein stabiles Fundament, das wir stärken müssen“, unterstreicht Techen.
Auf den hohen Wert der Tarifbindung weist auch Jan Otto hin, Erster Bevollmächtigter IG Metall Berlin: „Gut organisierte Belegschaften können gemeinsam mit der IG Metall auch bei einer nicht abzuwendenden Schließung von Standorten bessere Bedingungen erkämpfen“, berichtet der Gewerkschafter. „Wir können zwar nicht alle Unternehmen retten, aber beispielsweise beim Schienenbauer Stadler ist uns dies mit einem Zukunftstarifvertrag gelungen.“
Rolf Erler, Bezirksleiter der IGBCE Berlin-Mark Brandenburg, unterstreicht: „Sozialpartnerschaft und Tarifbindung sind heute ein Standortvorteil für Deutschland und Europa. Sozialpartnerschaft auf Tarif- oder Mitbestimmungsebene ist ein Garant für Planungssicherheit, wirtschaftliche Stabilität und Konfliktfreiheit. Sie ist im internationalen Wettbewerb unter den aktuellen geopolitischen Gegebenheiten ein klarer Standortvorteil. Weil das nicht überall selbstverständlich ist, streiken wir als IGBCE gerade in zwei Berliner Unternehmen, um einen Tarifvertrag auf ein vernünftiges Niveau zu bringen und in dem zweiten Fall überhaupt einen Tarifvertrag zu installieren.“
Personalmangel gefährdet Wachstum
Gleichzeitig warnt der DGB vor der gefährlichen Gleichzeitigkeit von drohendem Personalabbau und gravierendem Fachkräftemangel. Der aktuelle DGB-Index Gute Arbeit 2024 zeigt: 47 Prozent der Berliner Beschäftigten berichten von Personalmangel in ihrem Betrieb. Besonders betroffen sind das Gesundheitswesen, die Baubranche, Informatik, Verkehr und Logistik. In der Produktion und Rohstoffgewinnung berichten sogar 74 Prozent, dass der Personalmangel seit mehr als zwei Jahren andauert.
„Die Folge ist eine dramatische Mehrbelastung: Mehr Überstunden, höheres Arbeitstempo, geänderte Arbeitszeiten – und in der Konsequenz steigen die Abwanderungstendenzen“, warnt Techen. „Wer den Fachkräftemangel bekämpfen will, muss die Arbeitsbedingungen verbessern – das heißt: mehr Tarifbindung, mehr Mitbestimmung und endlich nachhaltige Investitionen in Ausbildung, Infrastruktur und gute Arbeit.“
Jetzt in die Zukunft investieren
Der DGB fordert deshalb von Land und Kommunen die rasche Umsetzung des angekündigten Investitionspakets des Bundes. „Der Investitionsbedarf in unserer Region ist riesig. Jetzt muss es darum gehen, mit klarer Priorität Arbeitsplätze zu sichern und soziale Gerechtigkeit voranzubringen“, so Techen abschließend.